Präsenz-Betriebsversammlungen zu Corona-Zeiten

– LAG Hamm, Beschluss vom 05.10.2020 – 13 TaBVGa 16/20

In seinem Beschluss vom 05.10.2020 entschied das LAG Hamm, dass dem Betriebsrat bei der Entscheidung, ob eine Betriebsversammlung in Präsenz oder virtuell durchgeführt wird, ein Beurteilungsspielraum zusteht. Entscheidet sich der Betriebsrat innerhalb dieses Rahmens für eine Durchführung in Präsenz, muss der Arbeitgeber die Kosten für die angemieteten Räumlichkeiten tragen.

In Zeiten der Corona-Pandemie hat der Gesetzgeber mit § 129 III BetrVG die Möglichkeit geschaffen, dass Betriebsversammlungen übergangsweise mittels audiovisueller Einrichtungen durchgeführt werden können. Diese Sonderregelung gilt nach ihrer Verlängerung zunächst bis zum 30. Juni 2021.

Im konkreten Fall wollte der Betriebsrat eines Klinikträgers drei Teilversammlung durchführen, um die Betriebsversammlung entsprechend der in Nordrein-Westfalen geltenden Corona-Verordnung und unter Wahrung eines Hygienekonzepts in Präsenz abzuhalten. Da der Arbeitgeber ihm keine Räume im Betrieb zur Verfügung stellte, mietete der Betriebsrat dafür eine große Veranstaltungshalle an. Der Arbeitgeber verweigerte die vom Betriebsrat verlangte Kostenerstattung und verwies – auch im Hinblick auf ein hohes Infektions- und Gefährdungsrisiko für den Klinikbetrieb – auf die Möglichkeit einer Online-Betriebsversammlung mittels Zoom oder Microsoft Teams.

Auf Antrag des Betriebsrats hob das LAG Hamm die erstinstanzliche Entscheidung des ArbG Iserlohn auf, das den Antrag auf Kostenerstattung zurückgewiesen hatte.                             

Das LAG Hamm stellte zunächst fest, dass dem Betriebsrat in § 129 III BetrVG durch das Wort „können“ ein Beurteilungsspielraum eingeräumt wird. Dieser Spielraum müsse unter Beachtung des Ausgangsleitbilds einer Präsenzveranstaltung ausgefüllt werden, denn für die Betriebsversammlung sei als Forum des Austauschs und der Aussprache gerade charakteristisch, dass alle Teilnahmeberechtigten an einem Ort zusammenkommen.

Mit der Planung dreier kleinerer Veranstaltungen unter Beachtung eines mit dem Gesundheitsamt abgesprochenen Hygienekonzepts habe sich der Betriebsrat innerhalb dieses Beurteilungsspielraums bewegt und eine sachgerechte Entscheidung getroffen.

Zudem war das Gericht der Ansicht, der Arbeitsgeber sei gem. § 40 II BetrVG dazu verpflichtet gewesen, genau aufzuzeigen, wie eine Betriebsversammlung in virtueller Form und unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften ablaufen soll. Der bloße Hinweis auf Microsoft Teams oder Zoom habe dafür nicht ausgereicht. 

Stud. jur. Laura Bell