Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer bei Kurzarbeit in der Corona-Krise

Die Corona-Krise verunsichert viele Arbeitnehmer. Viele Unternehmen beantragen jetzt Kurzarbeit.

Betriebsräte, Arbeitnehmer und Arbeitgeber rufen täglich in meiner Kanzlei an und fragen besorgt:

„Was ändert sich mit der Kurzarbeit? Was kommt jetzt auf uns zu?“

Alles Wichtige im Überblick:

Einführung und Beendigung der Kurzarbeit

Ziel der Kurzarbeit während der Corona-Krise ist, Personalkosten zu senken und Mitarbeiter eines Betriebs vor der Entlassung zu bewahren. Um schnell zu helfen, wurde das „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelung für das Kurzarbeitergeld“ erlassen und verkündet. Die Arbeitnehmer können einen Ausgleich von der Agentur für Arbeit aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung erhalten. Der Vorteil für die Arbeitnehmer ist, dass der Arbeitsplatz erhalten bleibt und die Arbeit flexibel wieder aufgenommen werden kann.

Der Arbeitgeber kann die Kurzarbeit nicht einseitig anordnen. Er braucht dafür eine Rechtsgrundlage. Zunächst kann sich diese aus einem einschlägigen Tarifvertrag oder aus einer Betriebsvereinbarung (von Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam beschlossene Vereinbarung für die Arbeitnehmer eines Betriebs) ergeben. In ganz engen Fällen finden sich Kurzarbeitsklauseln bereits im Arbeitsvertrag. Auf dieser Rechtsgrundlage kann der Arbeitgeber dann auch Kurzarbeit anordnen. Wenn jedoch keine entsprechende Regelung zur Kurzarbeit im Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag enthalten ist oder eine entsprechende Betriebsvereinbarung existiert, muss der Arbeitgeber mit jedem Arbeitnehmer eine Änderungsvereinbarung (Vereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit) treffen oder eine Änderungskündigung aussprechen. Schließlich kann Kurzarbeit gem. § 19 Kündigungsschutzgesetz im Falle einer beabsichtigten Massenentlassung eingeführt werden.

Die Kurzarbeit endet zum vereinbarten Endtermin oder durch einseitige Erklärung des Arbeitgebers, wenn die Voraussetzungen für die Einführung der Kurzarbeit nicht mehr vorliegen. Die neuen Regelungen zur Kurzarbeit gelten rückwirkend ab dem 1. März 2020 und sind befristet bis voraussichtlich 31. Dezember 2020.

Arbeitszeit

Liegen die Voraussetzungen für die Einführung der Kurzarbeit vor, wird der Arbeitsvertrag für den Zeitraum der Kurzarbeit dahin abgeändert, dass die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit gekürzt wird. Der Arbeitgeber kann auch die Arbeitszeit auf „Null“ reduzieren, d.h. die Arbeit wird für eine vorübergehende Zeit vollständig eingestellt. Der Arbeitgeber kann den Umfang jederzeit ändern.

Höhe des Kurzarbeitergeldes

Die Höhe des Kurzarbeitergeldes entspricht dem des Arbeitslosengeldes, es beträgt 60 Prozent des Nettoentgelts bzw. 67 Prozent für Arbeitnehmer mit mindestens einem Kind. Die Regierungskoalition hat am 23.04.20  weitere Maßnahmen beschlossen, um soziale und wirtschaftliche Folgen der Corona –Krise stemmen zu können.

Das Kurzarbeitergeld soll auf bis zu 80 Prozent und für Beschäftigte mit Kindern bis zu 87 Prozent angehoben werden. In den ersten drei Monaten der Kurzarbeit sollen die bisherigen Sätze gelten. Beschäftigte, deren Arbeitszeit um mindestens 50 Prozent reduziert ist, erhalten ab dem 4. Monat 70 bzw. 77 Prozent (Familien mit Kindern), ab dem 7. Monat 80 bzw. 87 Prozent des Lohnausfalls. Eine Tabelle zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes ist auf der Website der Bundesagentur für Arbeit (www.arbeitsagentur.de) zu finden. Minijobber können aufgrund der Befreiung von der Sozialversicherungspflicht kein Kurzarbeitergeld erhalten. Arbeitnehmer, die über die Beitragsbemessungsgrenze verdienen, müssen berücksichtigen, dass das Kurzarbeitergeld eine Summe von 4.623,00 Euro in den westdeutschen bzw. 4.321,50 EUR in den ostdeutschen Bundesländern nicht überschreiten kann.

Zeitpunkt der Auszahlung von Kurzarbeitergeld

Der Arbeitgeber hat das Kurzarbeitergeld an den Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der üblichen monatlichen Entgeltfortzahlung auszuzahlen. Maßgeblich ist insoweit die Vereinbarung im Arbeitsvertrag bzw. die gesetzliche Regelung, § 614 BGB. Der Arbeitgeber hat somit eine Vorleistungspflicht, die unabhängig von dem Zahlungszeitpunkt durch die Agentur für Arbeit.

Anspruch auf einen Aufstockungsbetrag durch den Arbeitgeber

Gesetzlich steht dem Arbeitnehmer kein Anspruch auf Aufstockung des Kurzarbeitergeldes durch den Arbeitgeber zu. Eventuell kann sich ein Anspruch aus einem einschlägigen Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einer Individualvereinbarung ergeben. Im Einzelfall kann es sich daher lohnen, darüber zu verhandeln.

Überstunden

Der Arbeitgeber ist grundsätzlich verpflichtet, vor der Einführung der Kurzarbeit alte Überstunden abzubauen.

Die Anordnung von Überstunden während der Kurzarbeit ist grundsätzlich unzulässig und widerspricht dem Arbeitsausfall. Ausnahmsweise können in dringenden Fällen Überstunden, z.B. zur Abwicklung eines einzelnen Auftrags, angeordnet werden. Diese haben Einfluss bei der Berechnung des Kurzarbeitergeldes.

Arbeitsunfähigkeit während der Kurzarbeit

Bei einer Arbeitsunfähigkeit in der Kurzarbeit muss man zwischen zwei Fällen unterschieden, Eintritt der Arbeitsunfähigkeit vor Beginn der Kurzarbeitsphase und Eintritt der Arbeitsunfähigkeit während der Kurarbeitsphase.

Eintritt der Arbeitsunfähigkeit vor Beginn der Kurzarbeitsphase

Wenn die Arbeitnehmer einen Entgeltfortzahlungsanspruch für die reduzierte Arbeitszeit haben, erhalten sie eine Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber.

Für die ausgefallenen Arbeitsstunden erhalten Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Krankengeld i.H. des Kurzarbeitergeldes. Für den Fall, dass 100 Prozent Kurzarbeit vereinbart wurde, erhalten Arbeitnehmer Krankengeld i.H. des Kurzarbeitergeldes.

Nach sechs Wochen erhalten Arbeitnehmer auf Antrag Krankengeld von der Krankenkasse.

Eintritt der Arbeitsunfähigkeit während der Kurzarbeitsphase

Wenn die Arbeitnehmer, in der Zeit, in der sie Kurzarbeitergeld beziehen, arbeitsunfähig werden, besteht der Anspruch auf Kurzarbeitergeld (Kranken-Kurzarbeitergeld) für sechs Wochen.

Nach sechs Wochen können Arbeitnehmer auf Antrag Krankengeld von der Krankenkasse erhalten.

Entgeltfortzahlung an Feiertragen während der Kurzarbeit

In den Fällen, bei denen ein gesetzlicher Feiertag in eine Kurzarbeiterphase fällt, ist § 2 Abs. 2 Entgeltfortzahlungsgesetz zu beachten. Danach haben Arbeitnehmer einen Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber. Die Agentur für Arbeit wird zuungunsten des Arbeitgebers entlastet. Er schuldet für diesen Tag Entgeltfortzahlung. Sie ist allerdings auf das ohne den Feiertag zu zahlende Kurzarbeitergeld beschränkt.

Urlaub

Arbeitnehmer sollten vor der Einführung der Kurzarbeit den Resturlaub aus dem vergangenen Jahr abgebaut haben. Der Erholungsurlaub für das laufende Jahr muss vor Beginn der Kurzarbeit nicht genommen werden, es genügt, dass der Urlaub verplant ist. Dabei sind die individuellen Urlaubswünsche in der aktuellen Situation besonders zu schützen, damit es zum Beispiel Eltern möglich bleibt, Urlaubstage für die Betreuung der Kinder wegen der Schließung von Kitas und Schulen zu nutzen.

Die Kurzarbeit ist eine Verringerung der Arbeitsverpflichtung. Daher verringert sich auch der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers entsprechend. Beispielsweise verringert sich der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers für das betreffende Jahr um ein Viertel, wenn er drei Monate Kurzarbeit mit Reduzierung der Arbeitszeit „Null“ leistet. Es ist von der Rechtsprechung nicht geklärt, ob die Verringerung der Urlaubsansprüche während der Kurzarbeit automatisch eintritt oder ob es hierzu einer ausdrücklichen Regelung in einer Änderungsvereinbarung oder einer Betriebsvereinbarung bedarf.

Das Urlaubsentgelt bemisst sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor Urlaubsbeginn erhalten hat. Dabei bleiben Verdienstkürzungen, die in den letzten 13 Wochen infolge von Kurzarbeit eingetreten sind, außer Betracht. Somit wirken sich die Verdienstkürzungen wegen der Kurzarbeit nicht negativ aus.

Minijob neben Kurzarbeitergeld – Wie sieht es mit einer Nebentätigkeit aus?

Wenn die Nebentätigkeit schon vor Beginn der Kurzarbeit durchgeführt wurde, ergeben sich keine Auswirkungen auf die Höhe des Kurzarbeitergelds, wie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in einem FAQ erklärt. Nehmen Beschäftigte während des Bezugs von Kurzarbeitergeld eine Nebentätigkeit auf, wird das daraus erzielte Entgelt auf das Kurzarbeitergeld angerechnet, denn es liegt eine Erhöhung des tatsächlichen erzielten Entgelts vor. Hier gibt es jedoch eine Ausnahme, wie das Bundesministerium erklärt: „Vom 1. April bis zum 31. Oktober 2020 werden Verdienste aus Nebentätigkeiten, die während des Bezugs von Kurzarbeitergeld in systemrelevanten Branchen oder Berufen aufgenommen werden, nur insoweit auf das Kurzarbeitergeld angerechnet, als die Summe von gegebenenfalls verbleibendem Verdienst aus der Hauptbeschäftigung, ergänzenden Verdienst aus einer neu aufgenommenen Nebenbeschäftigung und aus dem Kurzarbeitergeld den Betrag des Verdienstes überschreitet, der ohne Arbeitsausfall in der Hauptbeschäftigung erzielt worden wäre. Systemrelevant sind Branchen und Berufe, die für das öffentliche Leben sowie die Sicherheit und Versorgung der Menschen unabdingbar sind. Hierzu zählen insbesondere der Gesundheits- und Pflegebereich mit Krankenhäusern, Arztpraxen und Apotheken, die Land- und Ernährungswirtschaft sowie die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln. Einen Maßstab für die Beurteilung der Systemrelevanz von Branchen und Berufen bietet die Verordnung zur Bestimmung kritischer Infrastrukturen nach dem Gesetz für das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI-Gesetz)“.

Nebenverdienste in diesen Bereichen werden in dem oben genannten Zeitraum also nicht auf das Kurzarbeitergeld angerechnet. Dies gilt, sofern Beschäftigte die Höhe des Lohns nicht überschreiten, den sie vor der Kurzarbeit bekommen haben.

Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung während der Kurzarbeit

Die Arbeitnehmer bleiben weiterhin in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie in der Arbeitslosen- und in der betrieblichen Unfallversicherung versichert.

Auswirkung der Kurzarbeit auf den Rentenanspruch

Die auf das verminderte Arbeitsentgelt zu entrichtenden Beiträge zur Rentenversicherung leisten Arbeitgeber und Arbeitnehmer wie üblich gemeinsam. Damit keine Nachteile bei der späteren Rentenhöhe entstehen, werden zusätzlich auf Grundlage von 80 Prozent des Entgeltausfalls Beiträge erbracht, die vom Arbeitgeber alleine getragen werden. Alle Fragen zu den Auswirkungen von Kurzarbeit auf die späteren Rentenleistungen können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Auskunfts- und Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung konkret beantworten.

Weiterbildungsförderung durch die Agentur für Arbeit

Die Zeit der Kurzarbeit kann auch für Qualifizierung genutzt werden. Arbeitnehmer können grundsätzlich durch volle oder teilweise Übernahme der Weiterbildungskosten nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gefördert werden. Einen Wegweiser bzw. Hilfe, wie man ein geeignetes Bildungsangebot findet, enthält das Merkblatt „Förderung der beruflichen Weiterbildung“, das bei der Agentur für Arbeit erhältlich ist. Auch die Aus- und Weiterbildungsdatenbank „KURSNET“ der Bundesagentur für Arbeit im Internet sowie die Bildungsträger selbst bieten umfassende Informationen über zugelassene Bildungsmaßnahmen an.

Um die Übernahme der Kosten für Qualifizierungsmaßnahmen zu beantragen, sollen entweder der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer auf die Agentur für Arbeit zugehen. Dort wird der Anspruch auf die Förderung geprüft und festgestellt, ob eine Förderung nach dem SGB III möglich ist. Wird der Antrag positiv beschieden, erhält der Arbeitnehmer in der Regel ein Bildungsgutschein ausgehändigt. Unter den im Bildungsgutschein festgelegten Bedingungen kann der Arbeitnehmer diesen dann bei einem für die Weiterbildungsförderung zugelassenen Träger seiner Wahl einlösen.

Kündigung während der Kurzarbeit

Grundsätzlich wird das Recht des Arbeitgebers zum Ausspruch einer Kündigung durch die Kurzarbeit nicht berührt. Hierfür gelten die üblichen Voraussetzungen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Kündigung als letztes Mittel) kann die Einführung von Kurzarbeit bei vorübergehendem Arbeitsausfall als milderes Mittel eine betriebsbedingte Kündigung unzulässig machen. Eine betriebsbedingte Kündigung ist jedoch möglich, wenn der Arbeitgeber darlegt, dass über die Kurzarbeit hinaus weitere Gründe für eine Kündigung vorliegen und die Beschäftigungsmöglichkeit der betreffenden Arbeitnehmer auf Dauer entfällt.

Wenn tatsächlich eine Kündigung erfolgt, kann Kurzarbeitergeld nicht mehr gezahlt werden. Der Arbeitgeber muss bis zum Ablauf der Kündigungsfrist den Lohn (ggfs. auf die Höhe des Kurzarbeitergeldes gekürzt) zahlen.

Auswirkung der Kurzarbeit auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld

Die Kurzarbeit wirkt sich nicht negativ auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld aus. Sollte es dennoch nach dem Bezug von Kurzarbeitergeld, zu einer Arbeitslosigkeit kommen, berechnet sich das Arbeitslosengeld nach dem Arbeitsentgelt, das ohne den Arbeitsausfall erzielt worden wäre. Damit ist grundsätzlich gewährleistet, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine leistungsrechtlichen Nachteile erfahren.

Damit man nicht in der Corona-Krise auf Hartz IV fällt, verlängert die Regierungskoalition (Mitteilung vom 23.04.20) außerdem die Bezugsdauer des  Arbeitslosengeldes I (ALG I) um 3 Monate für diejenigen, deren Anspruch auf ALG I zwischen dem 1. Mai und 31. Dezember 2020 enden würde.

Anspruch auf ergänzende Sozialleistungen

Wenn das Einkommen der Arbeitnehmer so gering ist, dass sie ihren Lebensunterhalt bzw. den Unterhalt der mit ihnen zusammenlebenden Personen nicht mehr sichern können, ist zu empfehlen, Leistungen der Grundsicherung zu beantragen.

Antworten auf die häufigsten Fragen zum Thema Sozialschutz-Paket und Grundsicherung für Arbeitsuchende finden Sie auf der Webseite der Agentur für Arbeit – https://www.arbeitsagentur.de/corona-faq-grundsicherung .

Familien, deren Einkommen durch Kurzarbeit reduziert ist, können den sogenannten Notfall-Kinderzuschlag beantragen, dessen Ziel es ist, Familien finanziell abzusichern. Es sind hierfür Bewilligungszeiträume vom 1. April bis 30. September 2020 vorgesehen. Mehr Infos dazu unter: https://www.arbeitsagentur.de/familie-und-kinder/notfall-kiz.

Bedürftige Schüler sollen außerdem einen Technik-Zuschuss von 150 € für die Anschaffung von notwendigen Laptops, Tablets oder Computer erhalten.

Bitte bleiben Sie gesund!

Der Artikel kann eine individuelle juristische Beratung im Arbeitsrecht nicht ersetzen. Wenn Sie Fragen zum Thema Kurzarbeit haben oder eine Kündigung erhalten haben, sollten Sie sich vorsorglich an einen Rechtsanwalt für Arbeitsrecht wenden.

Rechtsanwältin Griessl bearbeitet vertieft Arbeitsrecht. Sie betreut und vertritt sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber aus dem gesamten Bundesgebiet aus den unterschiedlichsten Branchen.

Vania Griessl

Rechtsanwältin